Mittwoch, 12. Dezember 2012

Was erwartet mein Kind bei einem Legasthenie- oder LRS-Test?

Die psychologische Untersuchung durch einen Legasthenie-/LRS-Test hat die Einordnung eines Lese- und/oder Rechtschreibproblems eines Kindes oder Jugendlichen in das ICD 10 (International Classification of Diseases, Internationales Krankheitsklassifikationsschema) zum Ziel. Außerdem sollten sich aber aus diesem Test für den Legasthenietrainer oder -therapeuten Rückschlüsse auf die Art des Trainings und dessen Ansatzpunkte ergeben. Durch die medizinisch-psychologische Testung und Einordnung eines Lese-Rechtschreibproblems ergeben sich jedoch auch im Gesetz festgelegte schulische und in einigen Fällen sogar finanzielle Fördermöglichkeiten (nach § 35a, IIX SGB).

Zunächst einmal sollte vor einem Legasthenie-/LRS-Tests von den entsprechenden Fachärzten abgeklärt werden, ob ein Seh- oder Hörproblem vorliegt. Der Haus- oder Kinderarzt sollte Störungen des Stoffwechsels und einen Mangel an Mineralstoffen ausschließen. Diese Untersuchungen können ebenso wie eine Analyse der Gehirnströme (EEG) ausschließen, dass andere (medizinische) Ursachen für die Lernstörung vorliegen.

Welche Felder werden nun bei einem Legasthenie- oder LRS-Test abgeklärt?

Eingesetzt wird zunächst ein spezieller Intelligenztest für Kinder (z.B. HAWIK IV oder AID 2). Diese Testungen messen u.a. die Fähigkeit, logische Strukturen in Reihenfolgen (z.B. in Zahlenreihen oder Texten) zu erkennen, die Fähigkeit, zwei- oder dreidimensionale Flächen oder Räume in der geforderten Weise anzuordnen oder auch das stimmige Erfassen sozialer Zusammenhänge. Außerdem werden das visuelle und das auditive Erinnerungsvermögen, das Assoziieren von Begriffen sowie die Fähigkeit zum Verknüpfen von Begriffen überprüft. Diese und weitere Fähigkeiten werden bei diesen IQ-Tests als Maßstab für die  intellektuelle Begabung des jungen Probanden herangezogen. Nur teilweise haben diese Tests etwas  mit den  Ansprüchen zu tun, die im schulischen Alltag üblicherweise gestellt werden.

Die IQ-Tests bestehen ihrerseits wieder aus Untertests. Dabei steigt innerhalb dieser Untertests jeweils von Aufgabe zu Aufgabe der Schwierigkeitsgrad. Diese Tests laufen in einem vorgegebenen zeitlichen Rahmen ab, d.h. das Kind hat für jede Aufgabe nur ein bestimmtes  Zeitpensum zur Verfügung. Die dabei erreichten Punktzahlen werden in Beziehung zu einem Durchschnittswert gesetzt, der an einer hohen Zahl von gleichaltrigen Kindern ermittelt wurde. Diese Relation wiederum ergibt den maßgeblichen IQ des Kindes, der sich durch die einzelnen Gruppen von Tests wiederum in verschiedene Bereiche aufteilen lässt.

Kritisieren lässt sich an dieser Art der Intelligenzmessung, dass - gerade was teilleistungsgestörte Kinder angeht – ihre Aussagekraft angezweifelt werden darf. So werden in verschiedenen Untertests Aufgaben eingesetzt, die schriftsprachliche Fähigkeiten voraussetzen, die ja eben bei legasthenen oder lese-rechtschreibschwachen Kindern schwach ausgeprägt sind. In den betreffenden Untertests können die betroffenen Kinder logischerweise also nicht das Ergebnis erreichen, das eigentlich ihrem Intelligenzniveau entspräche.

Falls sich bei einem IQ-Test Anhaltspunkte für eine Legasthenie (Lese-Rechtschreibstörung) ergeben, sollte sich also konsequenterweise ein zweiter, sprachfreier Intelligenztest (z.B. CFT) anschließen. Diese Tests wiederum sind eigentlich nicht speziell als LRS- oder Legasthenietest für Kinder mit Problemen im Schriftspracherwerb, sondern als Test für Kinder mit Migrations- und damit unterschiedlichem muttersprachlichen Hintergrund konzipiert worden.

Wenn diese Tests jedoch nicht tatsächlich und sicher in der Lage sind, das Intelligenzniveau eines lese-rechtschreibschwachen Kindes zu messen, dann ist damit ist auch die Vorgabe der ICD-10 in Frage gestellt, dass Kinder, die unter einer intellektuellen Minderbegabung leiden, per Definition keine Legasthenie haben können.

Trotzdem kann die Ermittlung des Intelligenzniveaus im Rahmen eines Legasthenie-/LRS-Tests wertvolle Ergebnisse für eine zukünftige Förderung im Rahmen einer Therapie erbringen, da zumindest aufgezeigt werden kann, wo die individuellen Stärken des betroffenen Kindes liegen. Diese können dann in einer sich an den Test anschließenden Fördermaßnahme einbezogen werden.

Festzuhalten bleibt auch, dass solche Intelligenztests immer nur die Momentaufnahme der kognitiven Fähigkeiten eines Kindes sein können. Jedes Kind macht eine Entwicklung durch, die für die Ausbildung seiner intellektuellen Fähigkeiten anregend, aber auch stark hemmend ausfallen kann.

Lesen Sie den kompletten Artikel auf den Seiten der Lernpraxis Thomas Wilhelm:
Kleines Lexikon der Fachbegriffe, Legasthenie-/LRS-Test

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